Der entspannteste Ort Kanadas

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Original Artikel von Stefanie Lindenberger für BELLA  

Die endlose Weite, die wunderbare Natur – das allein sind gute Argumente für Kanada. bella-Autorin Stefanie Lindenberger fand auch noch das Städtchen Tofino und eine neue Liebe für den Herbst

Am Ende einer Straße liegen meist Orte voller Magie. Warum sonst hätte man die Straße so weit durch die Wildnis bauen sollen? Tofino auf Vancouver Island ist so ein Platz. Eigentlich möchte ich am liebsten geheim halten, dass es Orte wie diesen überhaupt gibt. Die Füße in Gummistiefeln, verbuddelt im eisigen Sand, stehe ich am Chesterman Beach. Vor mir der tosende Pazifik.

Am Ende des Ozeans liegt Japan. Hinter mir möchte der Nebel den Nadelwald verschlucken. Die majestätischen Baumriesen machen das schwer. Es ist November, und ich weiß nicht, wo auf der Welt es jetzt schöner wäre.

Gefesselt vom Anblick des tosenden Ozeans

Charles McDiarmid kommt her, seit er ein Kind ist. Am liebsten im Winter. „Wir saßen immer mit der ganzen Familie am lodernden Kaminfeuer. Draußen tobten die Wellen, und wir konnten den Blick nicht losreißen vom brausenden Ozean. Es waren die schönstenTage meiner Kindheit“, sagt der heute 62-Jährige. Jahre später, Mitte der 90er, schwant ihm dann: Auch andere Menschen könnten das lieben. Sein Vater hatte unterdessen viele Ländereien am Strand von Tofino an Beach-Haus-Träumer aus ganz Nordamerika verkauft. Die Sahneschnitte aber, eine Landzunge mit mehr als 200 Grad Meerblick, hatte er behalten. Und hier baute der alte McDiarmid dann gemeinsam mit dem Sohn eines der spektakulärsten Hotels auf dem amerikanischen Kontinent: „Wickaninnish Inn“. Alle Zimmer haben Meerblick. Aus dem Bett, aus dem Schaukelstuhl, aus der Badewanne. Im Winter schlägt die Gischt des Pazifik an manchen Tagen bis an die Fensterscheiben. Vater und Sohn bekamen einen großen Artikel in der„ Washington Post“ über die Faszination des Storm Watching (dt.: den Sturm anschauen). Schon in der Woche nach dem Erscheinen buchen die ersten Gäste – und Charles McDiarmid weiß es sofort: „Wir hatten den Tiger am Schwanz. Die Menschen wollen den Sturm sehen.“

An Orten wie Tofino ist der Rest der Welt weit weg. Das Nest mit nur zehn Straßen und zwei Ampeln und ein paar Pubs an der Hauptstraße scheint nicht für jeden gemacht. Hier trägt man Gummistiefel zum Holzfällerhemd. Funktionskleidung oder einen mindestens fünf Millimeter dicken Neoprenanzug zum Surfen im Kaltwasser. Die Menschen fahren Pickup, lächeln und strömen eine Gelassenheit aus, für die Mitteleuropäer Meditationsseminare belegen. Noch immer streichen hier mehr Schwarzbären, Luchse, Waschbären und Wölfe durch die Wälder des Pacific-Rim-Nationalparks als Pauschaltouristen. Die Fjordlandschaft der vorgelagerten Clayoquot-Buchten ist UNESCO-Naturreservat. Hier stellt sich nie die Frage, ob man wirklich einen Buckelwal oder ein paar Orcas zu sehen bekommt, sondern höchstens, wie weit sie aus dem Wasser springen.

Tofino liegt am westlichen Ende von British Columbia, wo das Festland Kanadas in Tausende kleine Inseln zersplittert und irgendwann in den Golf von Alaska übergeht. Das klingt nicht nur weit weg, das ist es auch. Daher ist es sinnvoll, eine Reise hierher gleich mit einem Besuch der Westküste Kanadas zu kombinieren. Und so mache ich noch einen Trip in die majestätischen Berge von Whistler mit ihren gigantischen Skipisten und wunderbaren Wanderwegen. Mit dem Fahrrad begebe ich mich auf eine Bier-Tour durch die jungen Brauereien von British Columbias pittoresker Hauptstadt Victoria. Ich paddle im Kanu mit einem Guide der First Nations – so heißen die Mitglieder der mehr als 600 Stämme der Ureinwohner – auf dem großen Fluss Indian Arm in Vancouver und lausche seinen Liedern und Geschichten. Am Ende meiner Reise verstehe ich, was Schauspielerin Jane Fonda meinte, als sie einmal sagte: „Wenn ich in Kanada bin, habe ich das Gefühl, dass der Rest der Welt so sein sollte.“ Ich denke, Jane Fonda war ganz bestimmt auch in Tofino.

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